4 Kammer RTO-Anlagen
1. EINFÜHRUNG
Im oldenburgischen Steinfeld, unweit der A1 ist die Fa. Nordfolien GmbH ansässig. Gemeinsam mit ihrer Tochter Nordfolien Polska in Zdzieszowice (Odertal/Schlesien) werden Kunststoffgranulate zu Folien verarbeitet.
Damit zählt Nordfolien zu den größten Betrieben ihrer Art in Europa. Die Firma ist auf Industrieverpackungen spezialisiert. Am Standort Steinfeld stehen hierfür eine Vielzahl von Extrudern und Druckmaschinen zur Verfügung, um den Anforderungen der Kunden vor allem aus den Branchen Chemie-, Bauststoff-, Holz-, und Torfindustrie gerecht zu werden. Darunter die technisch anspruchsvollsten Maschinen der Weltmarktführer.
An weiteren herausragenden technischen Besonderheiten fehlt es nicht. So gibt es selbstverständlich eine Kunststoffrecyclinganlage mit vorgeschalteter Lösemittelwäsche als auch ein eigenes Kraftwerk, in dem auch lösemittelhaltige Abluft entsorgt wird. Neben dem hohen elektrischen Wirkungsgrad (> 50 %) wird eine weitgehende Abwärmenutzung via Adsorptionskälteanlagen realisiert und damit die KWK- Fähigkeit erreicht.
In dieses Umfeld technischer Highlights passt auch die neue REGENUS RTO-Anlage mit einem Abluftvolumen von 40.000 Nm³/h. Die Anlage wurde so konzipiert, dass sie später bei Bedarf auf 60.000 Nm³/h erweitert werden kann. Zudem verfügt sie über eine Abwärmenutzung zur Wärmerecycling. Nach einer Ausschreibung durch ein Ingenieurbüro wurde die Fa. RELOX TECHNIK GmbH mit der Realisierung beauftragt. Besonderen Wert wurde bei der Planung der Anlage auf die Konzeption des keramischen Wabenkörperbettes gelegt.
Eine weitere Besonderheit der Gesamtkonzeption bestand darin, dass der RTO-Anlage ein Molekularsieb vorgeschaltet wurde, durch das eine Verstetigung der Lösemittelkonzentration geplant ist. Zudem wird im Stand-by-Betrieb der RTO auf diesen Lösemittelspeicher zurück gegriffen, um auch hier möglichst lange autotherme Zustände zu erreichen. Im Datenlogger der RTO werden deshalb „Autothermer Betrieb Produktion“ und Autothermer Betrieb Stand-By“ separat erfasst und dargestellt.
Mehrere Druckmaschinen und eine Lösemittelwaschmaschine wurden an die Abluftsammelleitung angeschlossen. Im Herbst wird eine zusätzliche Druckmaschine aufgestellt und es verbleibt dann noch eine Reserve für eine weitere Druckmaschine.
2. VOROXIDATION IM WABENKÖRPERBETT
Voroxidation im Wabenkörperbett
Nach der Inbetriebnahme konnte zunächst beobachtet werden, dass besonders gegen Ende der Woche die Reingastemperatur langsam anstieg und dabei Werte >100 °C erreicht wurden. Währenddessen betrug die Rohgastemperatur im Mittel 20 °C. Veränderungen in der Produktion schieden als Ursache aus. Allerdings war die Anlage insgesamt nur zu 10 – 40 % ausgelastet, so als eine große Verweilzeit im Wärmetauscher gegeben war. Dabei kommt es zur sogenannten Voroxidation der Lösemittel im keramischen Wabenkörperbett.
Ein Phänomen, das bereits seit langem auch aus dem Betrieb der Vorgängertechnik, den sognannten TNV-Anlagen, bekannt ist. Schon zu Beginn der 80iger Jahre hatte man festgestellt, dass durch eine Analyse der bis auf ca. 600°C vorgewärmten Abluftströme im Verpackungsdruck alle Oxidationsprodukte des Ethanols, wie z.B. Aldehyde, Carbonsäuren und Kohlenmonoxid in größerer Konzentration messbar waren. Das Ergebnis bei den rekuperativen TNV-Anlagen, die ja mit einem Rohrbündelwärmetauscher ausgestattet waren, war eine deutliche Schwächung der Wärmetauscherfunktion, d.h. ein Anstieg der Reingastemperatur und ein höherer Gasverbrauch.
Erreichen gute TNV-Anlagen vielleicht einen Übertragungsgrad der Wärme von 70 %, so werden RTO-Anlagen mit 96 oder gar 97% Übertragungsrad angeboten. Die Vorwärmung des Rohgases kann durchaus bis 800°C erfolgen mit entsprechend langer Verweilzeit im Wabenkörperbett und einer deutlich ausgeprägteren Voroxidation der Lösemittel (siehe Bild 1).
Fast vollständige Voroxidation der Lösemittel im Wabenkörperbett bei hoher Lösemittelkonzentration (% UEG), hoher Reingastemperatur und gleichzeitigem zusätzlichem Gasverbrauch (RELOX-Archiv).
Natürlich kann eine zu hohe Verweilzeit im Wärmetauscherbett durch Frischluft-beimischung und Volumenvergrößerung reduziert werden. Zudem können die Ventilsteuerzyklen insgesamt oder auch gegeneinander modifiziert werden.
3. KAMMER NUR ZUR SPÜLUNG?
In Deutschland und einigen anderen EU-Ländern hat sich eine 3-Kammer RTO-Anlage als Standardlösung durchgesetzt und entsprechend häufig wurde sie installiert.
Dabei dient die 3. Kammer lediglich zur Spülung des Rohgasvolumen und bestenfalls zur Verbesserung der Reingaskonzentration an Gesamt-C. In Ländern mit höheren Grenzwerten, wie in Nordamerika aber auch einigen EU-Ländern ist demnach eine 3. Kammer nicht erforderlich. Dadurch können ca. 20% der Investitionskosten für neue RTO-Anlagen eingespart werden.
Die Existenzberechtigung der 3. Kammer lediglich zur Verbesserung der Reingas-Werte ist demnach fraglich. Besonders wenn man sich mit dem Spülvorgang im Detail beschäftigt.
Mit der Spülung der 3. Kammer soll erst einmal das geometrische Rohgasvolumen entfernt werden, so dass diese Luft nicht ungereinigt im Kamin landet. Zum Zweiten soll eine eventuell vorhandene Adsorption der Lösemittel in den Wabenkörpern durch Desorption beseitigt werden. Natürlich ist allgemein bekannt, dass für eine Desorption Wärme erforderlich ist, d.h. die Spülluft muss geheizt werden.
An dieser Stelle hat RELOX für sich entschieden, dass die Desorption durch die Wahl oder die Behandlung der Waben im unteren Bettsegment vermieden werden muss.
Warum soll nicht im Verpackungsdruck eine hydrophobe Oberfläche der Waben-körper in Verbindung mit geringer Porosität jegliche Anlagerung wasserähnlicher Substanzen vollkommen verhindern?
Ist also eine solche Lösung praktikabel, muss nur noch das geometrische Rohgas-Volumen ausgespült werden. Dafür ist jedoch nur max. 10 % der regulären Ventil-Zykluszeit erforderlich, das heißt, 90 % der Zykluszeit ist die 3. Kammer ohne Funktion.
Deshalb wird nun in der REGENUS-Anlage in Steinfeld die 3. Kammer nach einer kurzen Spülphase als Kühlkammer genutzt. Die heißen Reingase werden aufgeteilt und strömen durch 2 Kammern parallel in den Kamin (siehe Bild 2). Und weil die 3. Kammer zum Spülen und danach zum Kühlen eingesetzt wird, sprechen wir von einer 4-Kammer RTO-Anlage.
4-Kammer RTO-Anlage: Nach kurzer Spülzeit der 3. Kammer erfolgt die parallele Ausströmung der heißen Reingase durch 2 Kammern in den Kamin (RELOX-Archiv).
Zum Verständnis der dann beobachteten Ereignisse sind einige theoretische Betrachtungen hilfreich. Am besten hilft ein Gedankenexperiment: Zunächst unterstellt man, dass sich der Wärmeaustausch bei regenerativen RTO-Anlagen durch eine Analogie zum Gegenstromwärmetauscher hinreichend genau modellieren lässt. Man stelle sich also solch einen Wärmetauscher vor, bei dem praktisch nur 70 % der Tauscherfläche für der Wärmeaustausch genutzt wird.
Schema eines Gegenstromwärmetauschers, bei dem die Austauschfläche nur zu 70 % genutzt wird.
Könnte man statt dessen 100 % der Fläche nutzen, so reicht der gesunde Menschenverstand aus, um zu vermuten, dass das Übertragungsergebnis gesteigert werden würde. Auch die Ingenieurswissenschaften bestätigen diese These bei der theoretischen Betrachtungen der gleichen Fragestellungen, da die Verweilzeit linear in die Gleichung eingeht und die Geschwindigkeit eben nicht. Im Wärmeüber-gangskoeffizienten Alpha steckt nämlich die sogn. Nusseltzahl als Funktion der Reynoldszahl, die ja mit einem Exponenten < 1 je nach Strömungsart (laminar oder turbulent) den Geschwindigkeitsbeitrag formuliert.
Durch die Ausströmung der Brennkammergase über 2 parallele Wärmetauscherbetten wird in diesen Betten natürlich deutlich weniger Wärme gespeichert. Beim Umschalten auf den Rohgaszyklus wird diese weniger schnell vorgewärmt und die
Schadstoffoxidation dahin verlagert, wo sie eigentlich stattfinden soll: In die Brennkammer der RTO-Anlage.
Jede Wärmefreisetzung innerhalb des Wabenkörperbettes z.B. durch Voroxidation reduziert die mittlere Temperaturdifferenz und damit den Wärmefluss vom warmen ins kalte Medium.
Auch dieser Vorgang lässt sich theoretisch im Rahmen der Arrhenius-Gleichungen begründen: Für jede Teiloxidation der Lösemittel ist nämlich eine sogn. Aktivierungsenergie zu überwinden. Eine Temperaturerhöhung um 10 K kann aber z.B. die Reaktionsgeschwindigkeit um den Faktor 10 steigern.
Arrhenius-Regelung für RTO Anlagen?
Ist eine chemische Reaktion, wie z.B. die Oxidation von Ethanol oder Toluol in Einzelheiten bekannt, kann durch eine ausreichende Thermoelementverteilung über das Wabenkörperbett die Entwicklung der Voroxidation gemessen auf Basis einer Modellbildung auch berechnet und gesteuert werden. Zu einer solchen Entwicklung wäre jedoch universitäre Unterstützung für mittelständische Anlagen-bauer erforderlich.
4. ZUSAMMENFASSUNG
Mit dem Betrieb einer 3-Kammer RTO-Anlage als 4-Kammer-Anlage sind eine Reihe von Vorteilen verbunden, die nachfolgend noch einmal zusammenfassend dargestellt sind:
- Stabile Erhöhung des Wärmeübertragungsgrades auf 97 %.
- Dauerhafter autothermer Betrieb mit entsprechender Gaseinsparung.
- Reduzierung der CO2-Emissionen durch Gaseinsparung.
- Autothermer Betrieb mit 1,5 g Lösemittel/Nm³ möglich.
- Vermeidung der Voroxidation im Wärmetauscherbett.
- Volumenregelverhältnis der RTO-Anlage von 1:10
- Reduzierung des Stromverbrauchs am Prozessventilator durch geringeren Gegendruck bei der Anströmung.
- Geringerer Serviceaufwand durch geringere Temperaturbelastungen des Wabenkörperbettes und des Ventilsystems.
Die mittlere Roh- und Reingastemperatur über eine Woche ermittelt.
Die mittlere Differenz beträgt 25 °C = 1,3 g Lösemittel/Nm³ (RELOX-Archiv). - Bessere Reingaswerte, weil Leckagen aufgrund des geringeren Drucks weniger ins Gewicht fallen.
- Homogenere Temperaturverteilung in der gesamten Anlage.
- Delta-T zwischen Roh und Reingas: 30 °C !
Für den Fall des hier vorgestellten Modells bedeutet dies bei einer durchschnittlichen Auslastung der RTO um 50 % und eine Nutzung der Überschußwärme eine Einsparung beim Erdgas-Verbrauch von 15 m³/h = 90.000 m³/Jahr.
Die entsprechende Reduzierung bei der CO2-Emission beträgt 180 t/Jahr.
Bremen, den 05.August 2015
Dipl.-Phys. Siegfried Woitkowitz